Die Wurzelkanalbehandlung
Karies und Parodontitis stellen eine Infektion mit Bakterien dar, die das eigene Immunsystem stark fordern.
Da der Zahn viele kleine Kanälchen besitzt, die von seinem Inneren (Pulpa) aus nach außen verlaufen, können Kariesbakterien ohne weiteres entlang dieser „Leitbahnen“ immer tiefer in den Zahn hineinwandern, bis sie schließlich den Nerven erreichen. Ebenso können sich Bakterien aus einer tiefen Zahnfleischtasche entlang der Wurzel bis zu ihrer Spitze vorarbeiten und den Zahnnerv „von unten“ infizieren.
Ist die körpereigene Abwehr des Patienten gut, kann eine chronische Infektion oder das Absterben des Nervs vom Patienten lange unbemerkt bleiben. Solch eine schlummernde Entzündung stellt allerdings ein Störfeld innerhalb des Organismus dar, was sich auch fernab vom Gebiss in ganz unspezifischen Symptomen äußern kann: chronische Nebenhöhlenentzündungen, Kopfweh, Verspannungen, Wundheilungsstörungen, Beschwerden in anderen Organen etc..
Bei einer akuten Entzündung schwillt das Gewebe an und es entsteht ein hoher Druck, da der harte Zahn der Schwellung nicht nachgeben kann. Dies verursacht starke Schmerzen, die i. d. R. erst nachlassen, wenn der Zahnarzt eine Öffnung schafft, indem er den Zahn von oben aufbohrt. Passiert das nicht, sucht sich die Entzündung ihren Weg nach unten durch Knochen und Weichgewebe – es kommt zur „dicken Backe“.
Wie kann ich den Zahn erhalten?
Der Zahnarzt reinigt die infizierten Wurzelkanäle mit verschiedenen Instrumenten und bringt schmerzstillende und desinfizierende Medikamente ein. Erst wenn der Zahn ruhig bleibt und keine Beschwerden mehr macht, können die Kanäle verschlossen und der Zahn mit einer Füllung oder Krone wieder restauriert werden. Nach etwa einem halben Jahr wird ein Röntgenbild angefertig, um den Heilungsverlauf zusätzlich zu kontrollieren.
Zum Aufbereiten („Saubermachen“) der Kanäle gibt es zum einen konventionelle Handfeilen, welche nach jedem Patienten sterilisiert und wieder benutzt werden (siehe oberes Bild). Zum anderen wenden wir in unserer Praxis bevorzugt die sogenannte maschinelle Aufbereitung mit sterilen Einmalfeilen an, z.B. mit dem Reciproc von VDW.
07.12.2012
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Artikel zum Download: Forstner.RECIPROC_ZMK_11.2012.pdf
Publikation von Sarah Forstner in der Fachzeitschrift ZMK 11/2012 |
Vorteile von Einmalfeilen gegenüber der herkömmlichen Technik:
Mehr Sicherheit
– Der Patient erhält eine nagelneue Feile, welche nur bei ihm benutzt wird. Diese wurde also noch nie vorher stark mechanisch beansprucht (beim Aufbereiten der Kanäle von den Patienten zuvor), was das Frakturrisiko erniedrigt. Zudem wird aufgrund der einzigartigen (reziproken) Technik und einem präzise abgestimmten Drehwinkel im Motor (automatischer Stopp bei übermäßiger Krafteinwirkung) ein Abbrechen der Feile im Kanal bestmöglich verhindert.
– Die Verwendung steriler Einmalinstrumente bedeutet auch mehr Sicherheit für Patient und Personal (laut einer Studie weisen selbst ordnungsgemäß sterilisierte Handfeilen noch Restverschmutzungen vom vorherigen Patienten auf).
– Die besondere Form der Feilen ermöglicht eine passgenaue Wurzelkanalfüllung mit geringer Gefahr des Überstopfens von Material über die Wurzelspitze hinaus.
– Aufgrund der integrierten elektrischen Längenmessung sind weniger Röntgenbilder erfolderlich, um die genaue Länge der Kanäle zu berechnen.
Höhere Effizienz
– Die Konizität der Feile erlaubt ein tieferes Eindringen von Spülflüssigkeit und medikamentösen Einlagen. Dies ist zum Abtöten der Bakterien auch in den zahlreichen kleinen Seitenästen wichtig, welche beim Aufbereiten der Hauptkanäle innerhalb des komplexen Kanalsystems nicht erreicht werden können.
– Dadurch werden insgesamt weniger Medikamentenwechsel notwendig, bis der Zahn ausgeheilt ist (die gesetzliche Krankenkasse erstattet lediglich drei Sitzungen!).
– Weil meist nur eine einzige Feile gebraucht wird, verkürzt sich die Dauer der Behandlung.
Je mehr Keime in den Kanälen abgetötet werden können, desto wahrscheinlicher wird der Heilungserfolg. Die Innenwand eines Wurzelkanals ist aber keineswegs glatt sondern porös wie ein Schwamm. Denn es münden unzählige kleine Seitenkanälchen in den großen Hauptkanal. In diesen Kanälchen kleben Bakterien und Gewebereste fest, welche nur durch intensives Spülen entfernt werden können. Die zusätzliche Anwendung von Ultraschall erhöht die Effizienz der normalen Spülung beträchtlich, so dass wir es möglichst bei allen Wurzelbehandlungen einsetzen wollen. Das Gerät dazu funktioniert ähnlich wie der Ultraschallaufsatz beim Entfernen von Zahnstein: durch extrem schnelle Vibrationen werden die fest anhaftenden Beläge von der Unterlage regelrecht „abgesprengt“.
Abb.: https://www.vdw-dental.com/de/sortiment/produktdetail/vdwultra/
Antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT)
Licht durchdringt selbst noch Bereiche in der Zahnwurzel, welche bei der Aufbereitung weder durch mechanische noch chemische Reinigung erreicht werden können. Deswegen wenden wir immer öfter das neue HELBO®-System an.
Das Prinzip von HELBO® ist so einfach wie genial: mittels einem Farbstoff werden die Bakterien im Wurzelkanal markiert und anschließend mit einem Licht bestimmter Wellenlänge bestrahlt, sodass sie zerstört werden. Damit werden die Keime im Kanalsystem effektiv reduziert, was dazu führt, dass die Zahnschmerzen schneller nachlassen und sich der Erfolg der Wurzelbehandlung erhöht.
Lesen Sie hier weiter, um Genaueres über die aPDT zu erfahren!
3D-Röntgen
Zähne besitzen nie einfach nur einen Kanal – in ihnen verbirgt sich ein kleines Labyrinth von Haupt- und Seitenkanälen, Aufzweigungen und Wiedervereinigungen, Ausbuchtungen und Verengungen. Selbst ein unkompliziert erscheinender Zahn kann den Zahnarzt ins Schwitzen bringen, wenn er einfach keine Ruhe geben will.
Um die genaue Anatomie des Kanalsystems besser erfassen zu können, fertigen wir wann immer möglich ein dreidimensionales Röntgenbild an, auch DVT genannt (Digitales Volumentomogramm). Dies dauert nicht lange und ist mit der neuesten Software auch speziell auf die Wurzelkanalbehandlung abgestimmt. Die diagnostischen Vorteile sind dagegen von höchstem Wert, man kann nun quasi „um jede einzelne Wurzel herumschauen“.
Oft entdeckt man so einen zusätzlichen Kanal, der die bleibenden Beschwerden verursacht. Bei bereits wurzelgefüllten, aber immer noch schmerzhaften Zähnen kann gerade im Oberkiefer nicht immer genau gesagt werden, welche Wurzel der Herd ist. Überlagerungen mit der Kiefer- und Nasenhöhle kaschieren nicht selten entzündliche Prozesse und hintereinander liegende Kanäle können nicht eindeutig voneinander differenziert werden. Ein DVT ist hier die einzige Möglichkeit klare Diagnosen stellen zu können.
Abbildungen oben: Von vorn gesehen erscheinen die Wurzeln gerade und unkompliziert.
Abbildungen unten: Die gleichen Zähne von der Seite getroffen offenbaren den wahren Verlauf.
Hier können Sie gut erkennen, wie gekrümmt und verschlungen manche Wurzelkanäle sind. Im normalen zweidimensionalen Röntgenbild erscheinen sie nicht selten aber gerade, weil sie vom Röntgenstrahl nicht von der Seite erfasst werden. Ein 3D-Bild schafft hier Klarheit und damit eine wesentliche Grundlage für den Behandlungserfolg.
Derart komplizierte Kanäle stellen für den Behandler eine große Herausforderung in ihrer Aufbereitung dar und sollten am besten von einem Spezialisten (Endodontologe) unter dem Mikroskop angegangen werden.
Abbildungen: S. Anderhofstadt